AMNESTY INTERNATIONAL
ÖFFENTLICHE MITTEILUNG
3. Juni 2011
AI Index : MDE 13/054/2011
Iran:
Deckt die Umstände des Todes einer Frauenrechts- und Friedensaktivistin
bei der Beerdigung ihres Vaters auf!
Amnesty International forderte die iranischen Behörden auf,
eine sofortige und unparteiische Untersuchung der Umstände des Todes von Haleh
Sahabi durchzuführen, einer Menschenrechtsverteidigerin und Mitglied der
Organisation Mütter für den Frieden. AI führte das in einem Brief an den Chef
des Justizwesens am 2. Juni 2011 aus. Die Frau starb, offensichtlich von einem
Schlag eines Angehörigen der Sicherheitskräfte getroffen, am 1. Juni 2011
während des Begräbnisses ihres Vaters, Ezzatollah Sahabi, früherer
Parlamentarier und Leiter der ‚Nationalen Religiösen Allianz‘.
Amnesty International erreichte ein Bericht eines Augenzeugen.
Ein oder mehrere Anhörige(r) der Sicherheitskräfte seien gegen Haleh Sahabi
hart vorgegangen. Man habe sie geschlagen, nachdem sie sich geweigert hatte,
ein Foto ihres Vaters, das sie hochhielt, herzugeben. Andere Berichte
bestätigten das: So berichtete Ahmed Montazeri, der Sohn des kürzlich verstorbenen
Großayatollah Aontazer, in einem Interview mit der BBC über den Tod von Haleh
Sahabi, nachdem sie von Mitgliedern der Sicherheitskräfte geschlagen worden
sei. Offizielle iranische Quellen versuchten eine Beteiligung der
Sicherheitskräfte herunterzuspielen: In einem Interview mit einem
Rettungssanitäter, ausgestrahlt vom nationalen iranischen Fernsehen, der sie
behandelt haben soll, sei sie ohnmächtig geworden und dann gestorben,
wahrscheinlich nach einem Herzstillstand, während sie auf dem Weg zum
Krankenhaus war.
Haleh Sahabis eigenes Begräbnis wurde von den
Sicherheitskräften organisiert und fand gegen 22 Uhr am Tage ihres Todes statt.
Eine Obduktion wurde nicht durchgeführt. Während der Beerdigung sollen eine
Anzahl Trauernder inhaftiert worden sein. Amnesty International verurteilt die
Störaktionen der Sicherheitskräfte bei beiden Beerdigungen, die weiteres Leid
für die Trauernden bedeutet hätten.
Haleh Sahabi war für Amnesty International eine politische
Gefangene. Sie verbüßte eine zweijährige Gefängnisstrafe. Sie war in Verbindung
zu ihrer friedlichen Teilnahme an einer Demonstration arrestiert worden. Der
Protest richtete sich damals gegen die Amtseinführung von Präsident Ahmadinejad
im August 2009. Es wurde berichtet, sie sei in Haft geschlagen worden. Mitte
August 2009 wurde sie gegen Kaution freigelassen, dann aber später zu zwei
Jahren Haft und Auspeitschung wegen „Propaganda gegen das System durch
wiederholte Anwesenheit bei illegalen Treffen und Störung der öffentlichen
Ordnung“ verurteilt worden. Die
Abteilung 54 des Berufungsgerichtes hielt im Mai 2010 die Gefängnisstrafe
aufrecht und wandelte die Strafe der Auspeitschung in eine Geldstrafe um. Sie
trat ihre Haft im Januar 2011 an. Sie konnte dann zeitlich befristet das
Gefängnis verlassen, um ihren Vater im Krankenhaus vor seinem Tod zu besuchen.
Amnesty International befürchtet, das die Handlungen der
Sicherheitskräfte gegen Haleh Sahabi direkt ihren Tod verursacht oder dazu
beigetragen haben könnten. Deshalb sollten sofortige und unabhängige
Untersuchungen in Übereinstimmung mit den UN-Grundssätzen zur wirksamen
Verhütung und Untersuchung von extralegalen, willkürlichen und summarischen
Exekutionen durchgeführt werden. In Artikel 9 der UN-Grundsätze wird gefordert,
dass „gründliche, sofortige und unparteiische Untersuchungen in allen
Verdachtsfällen von extralegalen, willkürlichen und summarischen Hinrichtungen
stattfinden sollen. Die Untersuchungen schließen Beschwerden von Verwandten und
andere glaubwürdige Berichte ein, die auf einen unnatürlichen Tod in den oben
angegebenen Umständen hinweisen.“ Wenn jemand auf ungesetzliche Art den Tod von
Haleh Sahabi verursacht hat, muss er vor Gericht gebracht werden, allerdings
ohne Rückgriff auf die Todesstrafe.
Amnesty International hat in dem Brief auch Aufklärung über die
Personen verlangt, die während der Beerdigung von Ezzatollah Sahabi verhaftet
wurden. Unter ihnen soll sich Dr. Habibollah Peyman befinden, der führendes
Mitglied der „Nationalen Religiösen Allianz“ und Mitglied des „Nationalen
Friedenskomittees“ ist, einer Gruppierung, die eine Beendigung der Anwendung
von Gewalt im Iran fordert, außerdem Hamid Ehrari und Hamed Montazeri, Enkel
des verstorbenen Großayatollah Montazeri. Möglicherweise wurden sie bereits
wieder freigelassen. Amnesty International versucht, die Namen der Inhaftierten
zu erfahren, wohin sie (möglicherweise) verbracht wurden und wessen man sie
ggf. anklagt. AI forderd für alle, die nur wegen der Ausübung ihres Rechtes auf
Freiheit der Versammlung inhaftiert sind, die sofortige und bedingungslose
Feilassung. Den Inhaftierten muss unverzüglicher Kontakt zu ihren Familien und zu
Anwälten ihrer Wahl gewährt werden und sie müssen vor Folter und anderen
Misshandlungen geschützt sein.
(Unatorisierte Übertragung
der Koordinationsgruppe Iran. Es gilt das englische Original.)